Große Lücke in der sozialen Landschaft
Das Geld in München wird knapp, Ausgaben müssen deutlich gespart werden – auch im sozialen Bereich. Zum Jahresende schließt das Väterberatungszentrum München in der Nymphenburger Straße, die Stadt München stellt die Förderung der Einrichtung ein.
Ein wichtiger Beitrag für mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Familien
Das Geld in München wird knapp, Ausgaben müssen deutlich gespart werden – auch im sozialen Bereich. Zum Jahresende schließt das Väterberatungszentrum München in der Nymphenburger Straße, die Landeshauptstadt München stellt die Förderung der Einrichtung ein - nur ein knappes Jahr nach der feierlichen Eröffnung. „Mit dem Väterberatungszentrum wollten wir einen wichtigen Beitrag für mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Familien leisten. Mit einem vielfältigen Angebot an Beratungsleistungen, an Informations- und Freizeitangeboten und Qualifikation und Fachberatung für Kolleg*innen in der Arbeit mit Familien ist es uns in zwölf Monaten gelungen, für die Väter und Einrichtungen in München und Umgebung eine beliebte und zuverlässige Anlaufstelle zu schaffen,“ resümiert Luis Teuber, Einrichtungsleitung. „Wir standen hier noch am Anfang. Viele unserer Ziele hätten mehr Zeit erfordert. Umso ernüchternder ist die anstehende Schließung vor allem im Hinblick auf die ersten Wirkungserfolge, die nun nach einem Jahr sichtbar werden”.
Mit der zeitgemäßen Entscheidung des Kinder- und Jugendhilfeausschuss des Stadtrats im Januar 2021 für ein Väterberatungszentrum trug die Landeshauptstadt München der sich verändernden gesellschaftliche Entwicklung Rechnung: Das Selbstverständnis von Männern hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Viele Väter identifizierten sich immer mehr mit der Erziehung der Kinder, wollten eine aktive und verantwortliche Rolle in der Care-Tätigkeit einnehmen. Ein Zentrum, das sich speziell an Väter in allen Lebenslagen richtet und die Fachlichkeit und Vernetzung von Väterarbeit weiterentwickelt, gab es in München bisher nicht. Unterschiedliche Träger boten schon im Bereich der Familienarbeit und Familienbildung Angebote für Väter, aber im Bereich der Beratung konnten Väter weiterhin schwer erreicht werden. Mit Casa Papa Väterberatung und Väterwohnen gehört eine weitere Einrichtungen zur Stiftung zusammen. tun., die als Anlaufstelle für Väter in Konflikt- und Krisensituationen zur Verfügung steht . Mit dem Väterberatungszentrum sollten Väter bei Themen zu Partnerschaft und Erziehung präventiv in ihrem Vatersein gestärkt werden.
Einer von ihnen ist Michael Bauer, er kann sich noch gut an seinen ersten Besuch im Väterberatungszentrum in der Nymphenburger Straße erinnern. Knapp zwei Monate vorher hatte ihm seine Freundin Birgit erzählt, dass sie Eltern würden. „Ich hab mich einfach unheimlich gefreut, vom ersten Tag an”, erzählt er. Michael und Birgit heißen in Wirklichkeit anders, ihre Geschichte ist aber real und steht als Beispiel für die Menschen, die gerne das umfassende Angebot des Väterberatungszentrum in Anspruch genommen haben. “Ich bin ein Familienmensch, ich bin mit zwei Geschwistern aufgewachsen, noch heute haben wir einen sehr engen Kontakt miteinander. Wir unternehmen auch viel mit unseren Eltern, uns verbindet ein unheimlich großes Vertrauen. Das habe ich mir auch immer für meine eigene Familie gewünscht”. Michael Bauer hat gerade sein Studium abgeschlossen, in einigen Monaten fängt er seinen Traumjob an, in einem Start-up. Das Baby bedeutet eine starke Kurve im geradlinigen Lebensplan. “Ich hatte eigentlich vor, erst einmal beruflich durchzustarten. Deshalb war ich etwas ratlos, wie ich Kind, Familie und neuen Beruf unter einen Hut bringen kann”, erzählt er. Ein Besuch im Väterberatungszentrum sollte Klarheit bringen.
„Zu uns sind Väter mit diesen Fragestellungen gekommen, nämlich wie sie eine aktive Rolle als Väter in der Familie aber auch ganz konkret in der Erziehung und Carearbeit leben können. Wir haben Väter in ihrer Rolle begleitet, waren da, in allen Belangen der Vaterschaft – bereits vor der Geburt mit einem Geburtsvorbereitungskurs für Männer, in dem wir uns auch einmal mit rechtlichen und finanziellen Fragen beschäftigt haben. Aber auch mit einem umfassenden Beratungsangebot“, erklärt Luis Teuber, der das Väterberatungszentrum auf den Weg gebracht und geleitet hat. Dass nach gerade 12 Monaten bereits die ersten Wirkungserfolge zu messen waren, liegt vor allem an den engagierten Mitarbeitenden und der konzeptionellen Gedanken, die den Nerv der Münchner Väter getroffen haben: Allein in 2024 konnten 71 Einzelberatungen durchgeführt werden, bis 31.07.2025 wurden weitere 65 Väter zum Teil auch über einen längeren Zeitraum beraten. Seit Eröffnung führten die Mitarbeiter darüber hinaus 25 Vernetzungs- und Qualifizierungsmaßnahmen mit diversen Einrichtungen der Familien- und Jugendhilfe durch und arbeiteten dabei eng mit dem Netzwerk Väterarbeit München e.V. zusammen, der Verein hat bisher auch seine Postadresse im Väterberatungszentrum. Mehrere Fachtage, runde Tische Väterarbeit, Fachvorträge und Fachberatung wurden konzipiert. Gemeinsam mit der Elly Heuss Familienbildung wurde ein vielseitiges Informations- und Freizeitprogramm entwickelt, das gerne von den Vätern in Anspruch genommen wurde.
Die Schließung des Väterberatungszentrum München bedeutet eine große Lücke. Das Projekt ist ein Leuchtturm für verändertes Vatersein und ein Signal dafür, dass Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung Themen für Männer sind. „Im letzten Jahr haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich Väter durch das spezifische Angebot und die Beratung nur durch Männer ganz anders erreichen ließen - zum Nutzen vieler Familien und vor allem von Kindern“, erklärt Luis Teuber. Für die bisherigen Nutzer und Kunden des Väterberatungszentrums stehen weiterhin andere Beratungsstellen, wie z.B. die Erziehungs-, Jugendlichen und Familienberatungsstellen in München zur Verfügung, sofern die Kapazitäten dies zulassen. „Bisher haben sich Väter hier bekanntermaßen statistisch weniger erreichen lassen und werden in ihrer Verletzlichkeit zum Teil auch nicht gesehen, Beratung hinsichtlich Trennung und Umgang können wir zum Glück weiterhin in der Casa Papa Väterberatung anbieten“, so Teuber weiter.
Bedarf an Unterstützungsleistungen sehr hoch
Der Zuschlag für das neue Väterberatungszentrum im Januar 2022 bezog sich auf eine Projektförderung von zunächst drei Jahren, die am 31.12.2025 ausläuft. Nach dieser Projektphase wollte der Stadtrat prüfen und entscheiden, ob das Väterberatungszentrum in die Regelförderung aufgenommen wird. Dazu kommt es nun nicht mehr: Befristete Projektfinanzierungen werden grundsätzlich nicht verlängert, die Landeshauptstadt muss sparen und so muss das Väterberatungszentrum München eingestellt werden. „Dass wir Einrichtungen wie das Väterberatungszentrum München nicht erhalten können, die mit ihrer Arbeit und dem Engagement unserer Mitarbeitenden erwiesenermaßen bereits nach kurzer Zeit sichtbare Wirkung auf dem Weg zu einer solidarischen Stadtgesellschaft erzielt haben, tut natürlich sehr weh. Von Seiten des Stadtjugendamtes, welches für die Fachsteuerung zuständig ist, haben wir beste Rückmeldung zu unserer Arbeit bekommen. Auch hier wurde die Entscheidung zur Schließung sehr bedauert. Auch das Netzwerk Väterarbeit München e.V., in dem wir Mitglied sind, hat sich über 10 Jahre für dieses Projekt eingesetzt. Der Bedarf nach unseren und anderen sozialen Angeboten in München ist nach wie vor sehr hoch – wir müssen uns deshalb jetzt die Frage stellen, wie es in der Landeshauptstadt München gelingt, die erforderliche Unterstützung künftig ohne das Väterberatungszentrum zu gewährleisten.